Vom Führungsnachwuchs wird erwartet, dass er fachgerecht mit dem “Material” Mitarbeiter umgehen kann – meist jedoch ohne dafür geschult worden zu sein. Doch nicht jeder Absolvent erfüllt schon in diesem frühen Stadium alle Voraussetzungen einer erfolgreichen Führungskraft. Welche Eigenschaften diese ausmachen und warum man das notwendige Wissen und Verhalten auch erlernen kann, erklärt Führungskräftetrainer Hartmut Laufer.
Gute Fachkenntnisse sind zweifellos eine wichtige Basiskompetenz für den Erfolg als Führungskraft. Denn Mitarbeiter erwarten zu Recht, dass sie bei Problemen von ihren Vorgesetzten fachkompetent beraten und ihre Arbeitsergebnisse fachkundig beurteilt werden. Doch reicht Fachwissen allein heute nicht mehr aus. Noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts konnten Führungskräfte allein aufgrund ihres Wissensvorsprungs und ihrer Amtsautorität erfolgreich führen. Es wurde überwiegend nach dem schlichten Prinzip von Anordnung und Gehorsam geführt.
Ein gewandeltes Selbstbewusstsein und zeitgemäße Wertvorstellungen der Mitarbeiter, weitergehende Arbeitnehmerrechte sowie sich rasant ändernde technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungen erfordern heute ein partnerschaftliches Führungsverhalten. Es gilt vor allem, Mitarbeiter zu Verantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit zu befähigen und sie zu motivieren. Neben den rationalen Fähigkeiten stellt Mitarbeiterführung daher heutzutage hohe Anforderungen an die emotionale Kompetenz.
Das Profil erfolgreicher Führungskräfte
Aus den eingangs geschilderten Gründen gehört der allmächtige, allwissende und allgegenwärtige Vorgesetzte der Vergangenheit an. Vielmehr sind bei den heutigen Gegebenheiten vorrangig die nachstehenden sieben Voraussetzungen für ein erfolgreiches Führen zu nennen:
Verantwortung übernehmen und notwendige Entscheidungen treffen: Das bedeutet, dass man zu seinen Führungsaufgaben steht und sie wahrnimmt sowie getroffene Entscheidungen gegenüber den Mitarbeitern begründet und nachvollziehbar macht.
Den Mitarbeitern vertrauen und ihnen Verantwortung übertragen: Man sollte sie im Rahmen der vertretbaren Risiken weitgehend selbstständig handeln lassen und nicht mehr als notwendig kontrollieren.
Den Persönlichkeitswert eines jeden Mitarbeiters achten: Die Führungsperson soll sich im Umgang mit seinen Mitarbeitern als menschlich gleichwertiger Partner empfinden, dem lediglich andersartige Aufgaben und Verantwortlichkeiten übertragen sind.
Für die Mitarbeiter berechenbar sein und authentisch bleiben: Es gilt, die eigenen Standpunkte und Gefühle für die Mitarbeiter erkennbar zu machen, ihnen gegenüber stets verlässlich zu sein und auch bei Konflikten fair zu bleiben.
Für eine offene und konstruktive Kommunikationskultur sorgen: Man sollte möglichst oft Gespräche mit den Mitarbeitern führen, dabei offen und ehrlich sein sowie die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander fördern.
Führungskraft – ein erlernbarer Beruf
Sicher gibt es einige genetisch bedingte Persönlichkeitseigenschaften, die zum Führen prädestinieren und andere, die einem überzeugenden Führungsverhalten im Weg stehen. So wie es in jedem Beruf begabte und damit besonders erfolgreiche, aber auch von ihren Grundanlagen her weniger geeignete Arbeitskräfte gibt.
Da sind stets einige, die Meister ihres Fachs werden und andere, die trotz aller Bemühungen nur einfachere Aufgaben bewältigen. Ebenso gibt es auch besonders imponierende, sogenannte charismatische Führungspersönlichkeiten.
Daneben gibt es aber die große Zahl von Führungskräften ohne herausragende Charaktereigenschaften, die sich ein fundiertes Wissen sowie zweckdienliche Verhaltensweisen angeeignet haben und demzufolge ihre Aufgaben sehr erfolgreich wahrnehmen.
Führungskraft ist also keine Berufung, sondern ein erlernbarer Beruf – allerdings ohne geregelte Ausbildung. Um Tischler zu werden – also eine anerkannte Fachkraft für die Holzbearbeitung – muss man eine dreijährige Lehrzeit absolvieren. Dagegen wird vom Führungsnachwuchs vielfach erwartet, das komplizierte „Material“ Mitarbeiter fachgerecht „bearbeiten“ zu können, ohne eine entsprechende Qualifizierung!
Jeder macht lebenslang seine eigenen Erfahrungen mit Menschenführung – sei es als Geführter oder Führender. Als Kinder wurden wir von unseren Eltern geführt, später von unseren Lehrern, Vorgesetzten oder Sporttrainern. Auch hat jeder in seinem Leben selbst schon einmal geführt, ohne sich dessen immer bewusst gewesen zu sein: Vielleicht schon als Kind in einer Anführerrolle beim Spielen, später in der Schule als Klassensprecher oder im Sportverein als Trainer einer Jugendgruppe. Auf diese Weise hat sich jeder seine eigene Meinung gebildet, wie man führen sollte oder wie eben nicht. Aus diesen Erfahrungen entwickeln sich bestimmte Grundsätze, die im Laufe der Zeit zum Bestandteil der Persönlichkeit werden.
Auch übernommene Erkenntnisse tragen zur Entwicklung der Führungspersönlichkeit bei. Außerdem lernt man so manches von Führungspersönlichkeiten, die einem als überzeugendes Vorbild gelten, und man übernimmt von ihnen – bewusst oder unbewusst – bestimmte Ansichten oder Verhaltensweisen. Oder man profitiert durch Ausbildung, Weiterbildung oder Literaturstudium von den Erfahrungen kompetenter Fachleute.
Die auf diesen Wegen gewonnenen Einsichten und Fähigkeiten haben – neben den angeborenen Eigenschaften – unsere Führungspersönlichkeit geprägt. Sie sind mitbestimmend für unser Rollenverhalten in entsprechenden Situationen: für die Art, wie wir kommunizieren, mit Konflikten umgehen oder welche Maßnahmen wir zum Führen ergreifen.
Das belegt, dass jeder Lernwillige und durchschnittlich Veranlagte die notwendigen Fähigkeiten erwerben kann, gängige Führungsaufgaben zu bewältigen.
Vorbereitung während des Studiums
Trotz der von Unternehmensleitungen ständig beklagten Defizite werden dem Führungsnachwuchs seitens der Hochschulen keine oder nur unzureichende Starthilfen mitgegeben. Führungsfähigkeiten werden daher immer noch vorwiegend durch Versuch und Irrtum erworben – mit den damit zwangsläufig einhergehenden persönlichen Misserfolgserlebnissen und manchen irreparablen sozialen Schäden in Unternehmen.
Daher ist jeder Student, der Führungspositionen anstrebt, gut beraten, sich beizeiten eigeninitiativ das notwendige führungspsychologische Grundwissen anzueignen. Wenn eine Hochschule erfreulicherweise entsprechende Veranstaltungen anbietet, sollte man sie ausgiebig nutzen. Auch wenn sie nur als Wahlfächer ausgewiesen sind, ist es wichtig, diese zu besuchen. Dazu gehören auch Themen, die nicht speziell auf Führung zugeschnitten, aber dennoch verhaltensorientiert und persönlichkeitsfördernd sind, wie beispielsweise Sozialpsychologie, Rhetorik oder Konfliktmanagement. Für die spätere Berufskarriere können derartige Lerninhalte erheblich nützlicher sein, als manches fachliche Spezialwissen.
Bietet die eigene Hochschule keine relevanten Bildungsmöglichkeiten, sollte man auf die Programme der einschlägigen Weiterbildungsveranstalter zurückgreifen. Es existieren im Internet zahlreiche Weiterbildungsdatenbanken, in denen man geeignete Maßnahmen finden kann. Allerdings sind gute kommerzielle Veranstaltungen ziemlich kostspielig. Aber auch manche Nonprofit-Organisationen wie Gewerkschaften, Berufsverbände, Industrie- und Handelskammern und selbst manche Volkshochschulen bieten heute Führungsseminare zu erschwinglichen Preisen an. Auch wenn ein Buch das eigene Erleben von Diskussionen und Verhaltensbeispielen in einem Seminar nicht ersetzen kann, ist selbstverständlich auch das Lesen von Fachliteratur ein empfehlenswerter Weg, sich Grundlagenwissen und ein realistisches Führungsverständnis anzueignen. Ebenso wäre die Teilnahme an Fernlehrgängen oder E-Learning-Kursen zu erwähnen.
Weiterbildung in Unternehmen
Selbstverständlich sind auch die Unternehmen aufgefordert, nicht nur das Führungsdilemma zu beklagen, sondern durch interne oder externe Weiterbildungsmaßnahmen zur Führungskräfteentwicklung beizutragen.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen immer wieder, dass deutsche Unternehmen hinsichtlich der Führungskultur im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld rangieren. Mit erheblichen Auswirkungen auf das Mitarbeiterengagement und damit den Unternehmensprofit. Dieser Mangel spiegelt sich in den finanziellen Aufwendungen für die Weiterbildung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt wider: Auch bei derartigen internationalen Vergleichen nimmt Deutschland nur einen der unteren Ränge ein. Selbst in manchen großen Unternehmen wird die Weiterbildungsabteilung nur als lästiger Kostenträger angesehen und entsprechend wenig unterstützt.
Möglichkeiten zur Förderung des Führungsnachwuchses durch die Unternehmen sind zum Beispiel Praktikumsplätze sowie berufspraktische Kooperationen mit Hochschulen. Hier gäbe es für Unternehmen allerdings noch einiges zu entwickeln.
Dipl.-Ing. Hartmut Laufer hat Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften studiert und war als Ingenieur in vielfältigen Führungspositionen bei Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen tätig. Seit 1990 leitet er das MENSOR Institut für Managemententwicklung in Berlin und ist als Führungskräftetrainer tätig. Daneben ist er Bestsellerautor diverser Managementbücher, darunter “Grundlagen erfolgreicher Mitarbeiterführung” (erschienen im GABAL-Verlag).