Es ist die absolute Hölle: In Hamburg werden reguläre Menschen zu Mördern, die weder ihr Opfer noch die wahren Beweggründe ihrer Tat kennen. Sie spüren nur die unerklärliche Wut in ihnen, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gibt. Diese fehlenden Zusammenhänge stellen Nina Salomon und ihren Partner vor eine echt harte Herausforderung: Irgendwo müssen die Verbindungen liegen, doch bisher laufen ihre Ermittlungen nicht nur im Dunkel der Ahnungslosigkeit, sondern auch komplett im Sande. Selbst Buchholz wird immer gereizter, Teammitglied Pia kann Nina immer weniger ausstehen und ein neuer Kollege mit viel zu starkem Interesse an Nina sorgt für viel mehr Spannungen, als dem Team in dieser Situation gut tut. Eine explosive Mischung, die sich irgendwann entladen muss …
Die Kritik
Nach „anonym“ ist invisible nun der zweite Fall für das Ermittlerteam Salomon/Buchholz. Im Vergleich zu dem ersten Fall hat das Autorenduo einige Schrauben justiert und so einen wesentlich stärkeren zweiten Fall geschaffen: Im Gegensatz zum Vorgänger fällt beispielsweise die Hauptperson „Nina Salomon“ nicht mehr durch bisweilen nervige Episoden auf. Wenn sie jetzt einen ihrer Alleingänge macht, passt das zu ihrem Charakter und sich in die restliche Handlung gut ein.
In gleicher Manier wie bei „anonym“ werden die Kapitel abwechselnd aus Sicht von Nina Salomon und Daniel Buchholz geschrieben. Bei jedem Kapitel ist sehr schnell klar, wessen Perspektive es ist, heir gibt es also nichts zu bemängeln. Zwischendrin mischt sich dann eine anonyme, dritte Person mit ein, die relativ kryptische Aussagen trifft. Man weiß als Leser lange nicht, worauf diese Person hinauswill und wer sie sein könnte. Es gibt auch keine explizite Aussage am Ende, wer es war, sodass nach dem Rätselraten noch ein gewisser Restzweifel besteht (oder ich hab den eindeutigen Hinweis nicht mitbekommen).
Der Dreh, mit dem der eigentliche Fall am Ende eine ganz andere Bedeutung bekommt – samt modernem Anspruch – ist ein kleines Glanzstück. Nicht nur ist es endlich mal ein Thriller, der moderne IT mit einbezieht und dabei über E-Mails hinaus geht. Nein, es gibt auch noch ein moralische Aussage: Nachdem klar ist, was passiert und wer der eigentliche Mörder ist, gibt es ein zeitliches Flashback: Ein Kapitel, in dem die eigentliche Schlüsselszene beschrieben wird, was erklärt, warum wer zum Mörder wurde. Ohne Spoiler lässt sich dazu nicht viel sagen, aber nicht nur technisch, auch inhaltlich ist dieses Kapitel sehr wichtig. Jeder, der ein ähnliches Problem als Jugendlicher hat, wird sich selbst in diesem Teil wiederfinden. Damit wird aus dem Thriller gleich noch eine gesellschaftliche Ansage, so etwas in Zukunft zu unterbinden – nicht, was das Morden angeht, sondern das zugrundeliegende Problem.
Minimale Schwäche zeigt das Buch in Sachen Vorhersehbarkeit. Nachdem klar ist, wie der Täter agiert und mehr als eine Theorie dazu durch den Raum getragen wurden, merkt man schon, wer noch alles in diesem Einflussbereich steckt. Da muss man den anderen Charakteren auch eine gewisse Blindheit vorhalten, denn es scheint doch ziemlich deutlich zu passieren und die Zusammenhänge sind nicht schwer zu durchblicken. Ganz am Ende kommt es deswegen noch mal zu einem kleinen Höhepunkt, der so wirklich keiner ist – und sehr unwahrscheinlich ausgeht.
Fazit: Es dauert anfangs etwas, bis man die Spannung fühlt, aber dann ein solider und unterhaltsamer Thriller mit modernem Ambiente und einem interessanten Ermittler-Duo!
Bettina Riedel (academicworld.net)
Poznanski / Strobel. invisible.
14,99 Euro. Wunderlich.