Die JanHus1 ist eine böhmische Rakete, die sich im Frühjahr 2018 von den verstaatlichten Feldern der kleinen, tschechischen Republik erhebt und eine lange Reise antritt. Der darauf anwesende Astronaut Jakub Procházka hat die ehrenwerte Aufgabe, einen mysteriösen Nebel in der Milchstraße zu untersuchen – und nicht nur sein Land, sondern die ganze Welt schaut ihm dank Social Media dabei zu. Die Distanz von vielen hundertausend Kilometern jedoch schadet seiner Ehe – seine Frau Lenka kommt damit nicht klar und verlässt ihn spontan. Und jetzt? Jetzt dreht der liebe Jakub in seinem kleinen Cockpit, den Feuchttüchern für Hintern und Gesicht, dem Fertigessen und den drei Flaschen Whiskey vollends am Rad …
Die Kritik
Schon nach zwei Seiten ist klar: Hier liegt ein ganz besonderes Buch vor. Die Sprache, die Art zu schreiben – Zucker und Baslam für die eigene Seele. Es hält den Geist wach wie eine Portion Kaffee und motiviert nicht nur, sondern treibt gerade zu zum Lesen an. Weiter, noch die nächste Seite, los geht’s! Und schon sind wir mit unserem Hauptprotagonist im All und spüren die Sinnlosigkeit seiner Anwesenheit dort oben.
Der Zauber eines kleinen Landes mit all seinen seltsamen und teils nerdigen Eigenheiten liegt ab der ersten Seite in der Luft und sofort verliebt man sich ein wenig in das Land, das in Europa so wenig Beachtung erfährt – und dabei direkt neben uns liegt. Je weiter man liest, desto tiefer stößt man in die Psyche eines Menschen vor, der seines Lebensalltags beraubt in Isolation lebt. Er sucht Trost und findet sie in seiner Einbildung, die er mit zurück zur Erde nimmt. Fragt sich nur: Unterscheidet er sich wirklich so sehr von all den anderen, von dir und mir? Befinden wir uns nicht in einer ähnlichen Isolation, wenn wir in die U Bahn einsteigen und um Himmels Willen bloß jeden Blickkontakt vermeiden? Noch dazu, weil seine persönliche Manifestation, der Weberknecht, mit dem schlimmsten und größten Ereignis seiner Kindheit zusammenhängt (kein Spoiler, findet recht bald Erwähnung): Dem tödlichen Unfall seiner Eltern. Dort erschien ihm der Weberknecht, ob nun in echt oder als Einbildung das erste Mal bewusst.
Ein weiterer positiver Eindruck kommt daher, dass der liebe Jakub kein perfekter Held ist, der im Alleingang die Welt retten muss – und immer perfekt aussieht, ob nun seit 3 Tagen im Kampfgetümmel oder ähnliche Szenarien. Nein, er darf sogar hochoffiziell auf die Toilette gehen, wo der Unterdruck an seinen Exkrementen zupft. Eine hochamüsante und wirklich herrlich charmante Schreibweise!
Nicht zuletzt ein kleiner Hinweis: Es geht hier um einen Mensch im All, nicht die Raumfahrt an sich. Wer also auf der Suche nach Science Fiction ist, bekommt seinen Wunsch in diesem Fall absolut nicht erfüllt. Es geht auch eher weniger um das All an sich, als die persönliche Reise von Jakub und wie sie ihn verändert. Ein wirklich gelungener Roman, der Spaß macht, unterhält, zum denken anregt und gleichzeitig einen so fantastisch lapidaren Humor an den Tag legt – grandios.
Fazit: Zuckersüß, dennoch anspruchsvoll und stellenweise einfach erheiternd – absolute Lese-Empfehlung mit 6 von 5 Sternen.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Jaroslav Kalfař. Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt.
Klett-Cotta. 22,00 Euro