Christian Eisenacher ist Senior Software Engineer bei Walt Disney. Für den Film ZOOMANIA (im Kino seit 3. März) arbeitete er als Softwarespezialist eng mit den Designern und Künstlern zusammen. Er ist dafür verantwortlich, dass die animierten Figuren eine möglichst realitätsnahe Struktur erhalten.
Was macht ein Senior Software Engineer bei den WALT DISNEY ANIMATION STUDIOS?
Man löst vielfältige technische Herausforderungen, damit unsere Künstler herausragende Filme erschaffen können. Die Herausforderungen sind dabei zum Beispiel knappe Zeitpläne sowie der ständige Appetit nach neuen, interessanten Bildern, Bewegungen und Geschichten.
Wie sind Sie zu WALT DISNEY ANIMATION STUDIOS gekommen und was gefällt Ihnen besonders am Unternehmen?
Mein Weg zu Disney war eher unerwartet. Um das Jahr 2000 herum begann ich mein Informatik Studium und spezialisierte mich zusehends auf die Computergrafik. Nach einem längerem Auslandsaufenthalt in Japan fertigte ich 2007 meine Diplomarbeit zum Thema „Textur Synthese” an: Man füttert dem Computer ein beliebiges Muster – handgemalt oder ein Foto und der Algorithmus produziert mehr von diesem Muster. Die Herausforderung dabei ist, dass das Muster ähnlich aussehen soll, aber keine störenden Wiederholungen aufweist.
Das klingt spannend. Wie ging es dann für Sie weiter?
Von der technischen Seite her war es ein sehr interessantes Projekt und wir haben unsere Ergebnisse 2008 erfolgreich publiziert. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mir jedoch nicht vorstellen für was die Ergebnisse praktisch nützlich sein könnten. Ich begann meine Doktorarbeit und konzentrierte mich auf ein anderes Thema – „Rendering”. Anfang 2009 bekam ich dann eine unerwartete Email von einem Software Manager bei Disney mit der Frage, ob ich jemanden mit Erfahrung auf dem Gebiet der Textur-Synthese kennen würde. Er hatte einige der Publikationen auf dem Gebiet gelesen und dachte, dass es ein wunderbares Werkzeug für Disneys Künstler sein könnte. Disney war auf der Suche nach einem Praktikanten, der im Sommer für drei Monate bei der Umsetzung helfen könnte. Dann ging alles ziemlich schnell. Drei Monate später war ich in Kalifornien, wieder drei weitere Monate später konnte unser Prototyp gewaltige Mengen an Texturen direkt auf 3D Modelle synthetisieren und wurde intensiv in “Rapunzel” verwendet: Für Baumrinde, Dachziegel, Pflastersteine, Mauern und sogar für einige der Haare in Rapunzels Zopf. Im darauffolgenden Jahr war ich abermals Praktikant, und konnte das Werkzeug 300 mal schneller machen. Am letzten Tag meines Praktikums gab es, fast schon als Formalie, ein paar offizielle Bewerbungsgespräche. Ein dreiviertel Jahr später war meine Doktorarbeit abgeschlossen und der Umzug nach Kalifornien komplett.
Was fasziniert Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Die Arbeit mit und für unsere Künstler. Es ist eine sehr spannende und symbiotische Zusammenarbeit. Unser John Lasseter, der weltweit bekannte Trickfilmregisseur, hat es einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht: “Art challenges technology, technology inspires the art”. Es wird nie langweilig.
Wofür waren Sie bei dem neuesten Film ZOOMANIA verantwortlich?
Nachdem ich die letzten Jahre mit unseren neuen “Hyperion” Renderer beschäftigt war, der zum erstem Mal in “Big-Hero-6” verwendet wurde, bin ich am Anfang von ZOOMANIA in unsere “AnimDev” Abteilung gewechselt, um einen kurzfristig frei gewordenen, kritischen Stuhl zu füllen. AnimDev ist für eine große Anzahl von Werkzeugen und Plugins für Animateure verantwortlich und brauchte jemanden, der sich mit paralleler und verteilter Programmierung auskennt und sich um deren Geschwindigkeit kümmert: Einfach gesagt: Je schneller und stabiler das Animationssystem, desto zufriedener sind die Animateure und desto besser ihre Arbeit. Mit Programmierung kenne ich mich sehr gut aus, aber Animation und die dabei verwendeten Werkzeuge waren für mich als Rendering-Spezialist totales Neuland. Es war ziemlich herausfordernd, sich in ein komplett neues Gebiet einzuarbeiten, die bestehenden Werkzeuge zu verstehen, zu warten, zu beschleunigen und gleichzeitig Künstler in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen.
Kann man nur bei animierten Filmen als Software Engineer arbeiten oder auch bei nicht-animierten Filmen?
Viele nicht-animierte Filme haben heutzutage Spezialeffekte und bieten ein breites Betätigungsfeld für Software Engineers. Bei Spezialeffekten wird oft mehr Wert auf Realismus gelegt als bei Animationsfilmen, ansonsten gibt es die gleichen Herausforderungen.
Das Klischee eines Informatikers ist ja: Er sitzt den ganzen Tag hinterm Computer und sieht kein Tageslicht. Können Sie das Klischee bekräftigen?
Ja ;-). Wobei wir viele Meetings haben und das mit dem Tageslicht so eine Sache ist: Das Umgebunglicht beeinflusst, wie ein Mensch Farben auf seinem Monitor wahrnimmt. Wenn die Sonne in seinen Raum scheint, wird ein digitaler Künstler also ein anderes Ergebnis produzieren als wenn es draußen bewölkt ist, obwohl es ihm gleich vorkommt. Viele Künstler haben daher Blenden an ihrem Monitor oder bevorzugen einen Arbeitsplatz mit künstlichem Licht. So bleiben mehr Räume mit Tageslicht für die Software Engineers (lacht).
Wie sieht es bei WALT DISNEY ANIMATION mit der Work-Life-Balance aus?
Unsere Arbeit erfordert viel Kreativität, sowohl auf künstlerischer als auch auf der technischen Seite. Gestresste Menschen tun sich schwer mit Kreativität, so dass Work-Life-Balance sehr wichtig für uns ist. Als Software-Engineers machen wir nur sehr selten Überstunden und haben sehr flexible Arbeitszeiten. Unabhängig davon sind wir mit unserer ganzen Leidenschaft bei der Sache und tun was nötig ist, um den besten Film zu produzieren, den wir können.
Wie stehen die Chancen als Software Engineer in die Filmbranche einzusteigen?
Erstaunlich gut. Man muss aber berücksichtigen, dass die meisten von uns Spezialisten auf ihrem Gebiet sind und ohne direkten Blick auf die Filmbranche zu solchen Spezialisten geworden sind. Viele meiner Kollegen haben einen Doktor in Informatik/Mathematik/Physik. Eine gehörige Portion Glück gehört aber auch dazu. Viele von uns sind über “Summer-Internships” eingestiegen, und, falls sich die Gelegenheit bietet, kann ich diesen Einstieg wärmstens empfehlen.
Ich will ein erfolgreicher Software Engineer werden: Was sollte ich mitbringen und wofür sollte ich mich begeistern können?
Erfolgreiche Software Engineers haben Spaß daran kniffelige Probleme zu lösen, und den Status Quo zu verbessern. Die Begeisterung selbst ist wichtig, für was ist eher zweitranging, weil es so viele verschiedene Dinge zu tun gibt. Ein solides Fundament in Mathematik und etwas Programmiererfahrung hilft.
Vielen Dank für das Interview!
Stand: Frühjahr 2016