- ©Fotograf: Tim Dobrovolny
Was ist Macht?
Etwas Gefährliches. Und Faszinierendes. Möglicherweise der größte Antrieb für Menschen. Oft stärker als Liebe und Freundschaft.
Sie haben sich für das Theater entschieden und nicht für einen Berufsstart im Film. Wird Kino oder Fernsehen immer noch als etwas Minderwertiges unter den Bühnenschauspielern angesehen? Das habe ich vor allem bei älteren Ausbildern an der Schauspielschule so wahr genommen. Natürlich heißt es oft, im Film müsse man doch nur sein Gesicht in die Kamera halten. Aber ganz so ist es nicht, ich habe ja auch schon ein paar Sachen gedreht. Wobei ich auch schon einiges an Angeboten abgelehnt habe, weil ich es zwar lukrativ fand, aber inhaltlich nicht überzeugend.
Da wären wir wieder beim Thema Geld: Ist die Bezahlung bei Film und Theater sehr unterschiedlich?
Das sind enorme Unterschiede. Deswegen ist es schon attraktiv, eine Rolle in einem interessanten Film zu bekommen. Die Arbeit ist anders, man kann mehr experimentieren. Mir macht das Spaß. Auch wenn meine Heimat immer die Bühne ist, kann ich mir vorstellen, in den nächsten Jahren auch mehr beim Film zu machen.
Haben Sie Filmschaupieler als Vorbilder?
Ich bin ein Fan von Uma Thurman, eine tolle Frau und Schauspielerin. Und von dem leider verstorbenen Ulrich Mühe.
Der letzte Film, der sie begeistert hat?
‚Das weiße Band‘ von Michael Haneke.
Sind die beruflichen Möglichkeiten für Männer und Frauen am Theater unterschiedlich?
Es gibt einfach mehr Rollen für Männer als für Frauen. Darauf wird ja schon an der Schauspielschule geachtet, denn dort gibt es aus diesem Grund auch mehr Plätze für Männer als für Frauen. Meines Wissens werden Männer auch am Theater nach wie vor besser bezahlt als Frauen – was ich nicht in Ordnung finde.
Wie unterscheidet sich das Konkurrenzverhalten von Männern und Frauen am Theater?
Ich gebe zu, dass ich ein extremer Wettbewerbstyp bin. Das ist bei Frauen in der Regel eher ungewöhnlich, aber ich habe Wettkämpfe schon immer geliebt. Wenn sie fair sind. Ich entspreche an dem Punkt sicherlich nicht dem normalen Frauentypus. Aber zurück zu Ihrer Frage: Ich würde sagen, dass Männer eher eine Auseinandersetzung pflegen, die unterschwellig immer etwas Physisches hat. Diese Form der Konkurrenz ist dadurch auch immer sehr offensichtlich. Selbst auf der Bühne gibt es diese Hahnenkämpfe zwischen den Schauspielern. Frauen dagegen pflegen eher nicht so leicht durchschaubare Wege des Konkurrenzkampfes, wobei die Waffen immer im kommunikativen Bereich liegen. Frauen sind aber sicher weniger Wettbewerbstypen als Männer.
Liegt darin auch begründet, dass zu wenig Frauen in den Top-Positionen der Wirtschaft landen?
Ich denke schon. Denn um sich gegen Männer zu behaupten, müssen sie deren robuste Wettbewerbsregeln akzeptieren. Das stößt Frauen ab – und ich glaube auch, dass sie sich oft zu wenig zutrauen. Frauen sind nicht gerade gut darin, anzugeben mit ihren Kompetenzen. Könnten sie sich aber genauso leisten.
Als Schauspieler darf man sich eigentlich nicht erlauben, keine Werbung in eigener Sache zu machen. Schließlich sind die Engagements oft befristet und viele Bühnenschauspieler quälen sich mit Existenzsorgen.
Ich habe das Glück, hier in Stuttgart einen Vertrag über drei Jahre geschlossen zu haben, der danach wohl auch verlängert wird. Aber ich kenne natürlich Kollegen, die nur einjährige Engagements haben und für die eine solch kurze Laufzeit mit erheblichen Sorgen und Problemen verbunden ist. Man kann in diesem Beruf sein Leben nicht generalstabsmäßig planen, Unsicherheit ist ein permanenter Begleiter.
Das erschwert auch Themen wie sesshaft zu werden. Oder die Familienplanung.
Das sehe ich nicht so. Natürlich sind die Arbeitszeiten nicht unproblematisch. Aber ich habe genug wunderbare Kollegen, die das auch gut hinbekommen. Und ich möchte und werde das auch schaffen. Schwierig finde ich eher etwas anderes.
Und zwar?
Als Schauspieler entwickelt sich der Freundeskreis nicht unbedingt heterogen. Man hat immer diesen Kreis aus Künstlern und Kulturschaffenden um sich. Wenn sich die Diskussionen nicht immer um dieselben Themen drehen sollen, muss man gezielt außerhalb dieses Zirkels Kontakte suchen.
Gilt das auch für Sie?
Ja, schon. Aber nach meiner ersten Premiere in Stuttgart hat mich ein Ehepaar sehr nett angesprochen und mich beglückwünscht. Beide sind 80 Jahre alt. Aus dieser Begegnung hat sich eine echte Freundschaft entwickelt, ich besuche die beiden regelmäßig. Und dann diskutieren wir wirklich leidenschaftlich und intensiv. Die Beiden erden mich, wenn ich mal wieder zu sehr in meinem Bühnenkosmos gefangen bin. Eine glückliche Begegnung.
Was ist Glück für Sie?
Das Heimkommen zu meinen Eltern, mit denen ich eine sehr innige Beziehung habe. Freundschaften. Liebe. Und eine Rolle, in der ich weiß, ich habe alles gegeben. Die ich nicht besser spielen kann.
Es gibt Künstler, die sind dann am besten, wenn sie unglücklich sind.
Davon gibt es sogar nicht wenige. Die sagen, nur aus dem Schmerz heraus entsteht große Kunst. Ich bin nicht so, ich bin auf der Bühne besser, wenn ich auch privat glücklich bin. Ich traue mir mehr zu, ich bin gelöster. Ich ruhe in mir, wenn ich glücklich bin.
Können Sie sich Glück ohne eine Bühne überhaupt vorstellen?
In einem Leben ohne Schauspielerei sehe ich mich ein kleines Restaurant führen, irgendwo auf dem Lande. Ich koche und backe und bin eine gute Gastgeberin. Wer weiß, vielleicht mache ich das noch einmal. Ich bin ja mittlerweile erfahren darin, Wendungen und Veränderungen im Leben zuzulassen.
Lisa Bitter
Lisa Bitter wurde 1984 in Erlangen geboren. Als Jugendliche wurde sie süddeutsche Meisterin im Siebenkampf. Ihre Schauspielausbildung absolvierte Lisa Bitter zwischen 2004 und 2009 an der HMT Leipzig. Im Rahmen der Ausbildung war sie in der Spielzeit 2007/2008 am Neuen Theater Halle zu sehen, seit 2014 spielt sie die Rolle von Johanna Stern im SWR-Tatort.